Europarecht
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Das Europarecht im engeren Sinne bezeichnet das Recht der Europäischen Gemeinschaften (EG und Euratom, bis 2002 auch der EGKS) und das Recht der Europäischen Union.
Im weiteren Sinne wird auch das Recht der anderen europäischen Organisationen wie WEU, Europarat, OECD und OSZE in das Europarecht einbezogen. Diese Rechtsmaterie unterscheidet sich aber vom Europarecht im engeren Sinne durch die Organisationsformen: Die Europäischen Gemeinschaften sind supranational organisiert. Ihre Rechtsvorschriften finden in den Mitgliedstaaten unmittelbar Anwendung. Wohingegen die anderen Organisationen international organisiert sind, ihr Recht ist Völkerrecht und bindet daher nur durch die nationale Transformation.
Inhaltsverzeichnis
1 Aufbau der EU
1.1 Die Europäische Gemeinschaft
1.1.1 Rechtsquellen
1.1.2 Rechtsetzung
1.1.3 Gerichtsbarkeit und Rechtsschutz
1. Aufbau der EU
Die drei Säulen der Europäischen Union
Hautptartikel: Die drei Säulen der Europäischen Union
Die Europäische Union (EU) ist eine Dachorganisation, die auf drei Säulen oder Pfeilern steht. Für das Europarecht zuständig ist die Europäische Gemeinschaft (EG), die zur ersten Säule gehört.
Die EU selbst ist keine eigene Rechtspersönlichkeit. Diese erlangt sie erst durch den Vertrag über eine Verfassung für Europa.
Obwohl es sich bei der EU streng genommen noch nicht um eine supranationale Organisation handelt, werden auch im Rahmen der Union zunehmend Bereiche "vergemeinschaftet". Hier ist insbesondere deren dritte Säule, die gemeinsame Zusammenarbeit im Bereich Justiz, zu nennen.
1.1 Die Europäische Gemeinschaft
Die Europäische Gemeinschaft (vormals Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) wurde 1957 gegründet und ist eine supranationale Organisation. Sie ist Träger eigener Rechte und Pflichten im Verhältnis zu ihren Mitgliedern und Drittstaaten. Durch die übertragenen Hoheitsrechte übt sie selbstständig Kompetenzen gegenüber den Mitgliedstaaten und einzelnen Bürgern aus.
1.1.1 Rechtsquellen
Das Gemeinschaftsrecht lässt sich unterteilen in
1. primäres Gemeinschaftsrecht
2. sekundäres Gemeinschaftsrecht
Primäres Gemeinschaftsrecht sind die Gründungsverträge der Gemeinschaften (v.a. EGV, EAGV und EGKSV) einschließlich Anlagen, Protokollen und späteren Änderungen. Das Primärrecht kann als eine Art Verfassung der Gemeinschaft angesehen werden, da es die Organisation der Gemeinschaft regelt und Gesetzgebungskompetenzen enthält. Es handelt sich jedoch nicht um eine Verfassung, siehe Europäische Verfassung.
Außerdem zählt zum Primärrecht auch das ungeschriebene primäre Gemeinschaftsrecht, bestehend aus Gemeinschaftsgewohnheitsrecht und den allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Gemeinschaft (insbesondere allgemeines Verwaltungsrecht und Gemeinschaftsgrundrechte).
Das primäre Recht gilt für die Mitgliedsstaaten ebenso wie für den einzelnen Bürger. Urteile des Europäischen Gerichtshofes gegen Mitgliedstaaten sind vollstreckbar.
Sekundäres Gemeinschaftsrecht sind die von den Organen der Europäischen Gemeinschaft erlassenen Rechtsnormen, insbesondere Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen.
Verordnungen und Entscheidungen wirken direkt. Richtlinien müssen hingegen erst von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. Diese sind jedoch verpflichtet, diese Umsetzung innerhalb vorgegebener Fristen vorzunehmen. Falls dies versäumt wird und Bürgern oder Firmen dadurch Nachteile erwachsen, ist der Mitgliedstaat schadenersatzpflichtig.
1.1.2 Rechtsetzung
Für die Rechtsetzung sind innerhalb der EG drei Verfahren möglich: Das Verfahren der Mitentscheidung nach Artikel 251 (EG), das Verfahren der Zusammenarbeit nach Artikel 252 und der Anhörung (z.B. Art. 308).
Das Initiativrecht liegt in allen Fällen bei der Europäischen Kommission. Anschließend muss der Rat der Europäischen Union dem Entwurf zustimmen. Das Mitwirkungsrecht des Europäischen Parlaments hängt vom Typ des Verfahrens ab und reicht von Anhörung bis zur Zustimmung oder Vetorechten. Siehe auch: Rechtsetzung der EG
1.1.3 Gerichtsbarkeit und Rechtsschutz
Die Gerichtsbarkeit innerhalb des Europarechts wird durch das Europäische Gericht erster Instanz (EuG) und den Europäischen Gerichtshof (EuGH) ausgeübt. Das Gemeinschaftsrecht hat stets Anwendungsvorrang vor dem nationalen Recht. Es verdrängt es jedoch nicht gänzlich. Ist das Gemeinschaftsrecht nicht anwendbar, greift wiederum das nationale Recht. Der Mitgliedstaat haftet im Zweifelsfall für sein gemeinschaftswidriges Verhalten.
Durch den EG-Vertrag sind folgende Verfahrensarten definiert: Ein Vertragsverletzungsverfahren (Artikel 226), eine Nichtigkeitsklage (Art. 230), eine Untätigkeitsklage (Art. 232), eine Amtshaftungsklage (Art. 235) und ein Vorabentscheidungsverfahren (Art. 234). Siehe auch: Rechtsschutz (EG).